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05.07.2022

Kunstwerk Käse

Kaum ein Nahrungsmittel verkörpert Genuss, Tradition und Vielfalt mehr als Käse. Wie gelingt es, ihn so herzustellen, dass er den Geschmack von Millionen trifft? Zwei Produktentwickler erzählen.

Eigentlich ist es eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet ich Produktentwickler für Käse geworden bin. Die ersten 21 Jahre meines Lebens konnte ich mit dem Geschmack gar nichts anfangen. Heute kann ich mir ein Leben ohne Käse nicht mehr vorstellen. Ich bin stolz darauf, mit meinen Kollegen das Rezept des preisgekrönten Zoeteweijde von Uniekaas Holland B.V. entwickelt zu haben. Das Finden des richtigen Geschmacks ist eine Kunst des Ausprobierens, Erkennens und Abwägens. Er hängt ab vom Grad der Reifung, von Zutaten wie Säureweckern und Lab, der Einstellung der Maschinen und nicht zuletzt: von unserer Milch.

Tausende Geschmacksvariationen

Käse ist eines der wichtigsten Lebensmittel, weltweit gibt es über 4.500 Sorten. Bei jeder einzelnen zählt auch die Erfahrung und das Wissen des „Käsemeisters“. Die Verkostung ist somit ein wichtiges Werkzeug zur Beurteilung der Qualität. In Sensorik geschulte Kollegen beurteilen hierbei in methodisch festgelegten Verfahren Eigenschaften wie Geschmack, Geruch, Farbe und Konsistenz. Anhand der Bewertungen wird klar, ob wir unser Ziel erreicht haben, oder ob es eine neue Versuchsreihe geben wird. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten! Und auch der Markt und die Kundenbedürfnisse entwickeln sich ständig weiter. Für uns als Entwickler ist es daher wichtig, so lange auszuprobieren, bis wir unser gewünschtes Ergebnis wirklich erreicht haben.

Fütterung beeinflusst

Wir müssen als Entwickler vieles berücksichtigen: Wenn das Futter einen Anteil Zwiebeln oder Weizen-Hefe- Konzentrat enthält, wirkt sich das auf den Käsegeschmack aus. Silagefutter zum Beispiel enthält Buttersäurebakterien, die in die Milch gelangen können. Sie beeinflussen neben dem Geschmack die Qualität, denn ein hoher Buttersäuregehalt führt dazu, dass der Käse reißt oder sich aufbläht.

Alles kann passieren

Der leicht sahnige Geschmack in verschiedenen würzigen, pikanten und milden Ausprägungen, ist also auch ein Resultat des guten Basisproduktes Rohmilch. Milchviehhalter haben durch ihre Betriebsführung also durchaus Einfluss auf Geschmack und Qualität des Käses.

"Alles hängt von einer Technik ab"

Sander Broersma, Produktentwickler bei DOC Kaas.

Geschmackstrigger Säure

Jede Käsesorte hat ihr eigenes Säureweckerrezept mit speziellen Geschmacks-, Textur- und Augenbildungseigenschaften. Der Säurewecker für Gouda verleiht dem Käse viel Geschmack und führt zur Gasbildung, die Augen im Käse erzeugt. Foliengereifter Käse schmeckt weniger intensiv und bildet keine Augen. Um Säurewecker zu kultivieren, impfen wir die Magermilch mit einer Starterkultur. Die Kunst besteht darin, Kombinationen zu entwickeln, die nicht leicht zu imitieren sind. Eine Starterkultur kann aus Hunderten von Bakterienstämmen bestehen. Es hängt von der Art der Kultur und vom Käseherstellungsprozess ab, welche Stämme sich entwickeln.

Nuancen entscheiden

Außer den Säureweckern werden manchen Käsesorten Zusatzkulturen hinzugefügt, die zusätzlich Geschmack und Charakter verleihen oder die Reifung beschleunigen. Ein guter Gouda braucht keine Zusatzkulturen. Ein schöner Maasdamer schon. Infolge der Gasbildung entstehen mehr Augen und der leicht nussige, süßliche Geschmack. Weitere Aromen wären: süß, herzhaft, geröstet, herb. Die Kulturen wirken sich aber auch auf die Textur aus, also wie fest, bröckelig oder schnittfähig der Käse wird. Der Säurewecker wird übrigens erst später, wenn der Käse bei den richtigen Umgebungsbedingungen heranreift, aktiv.

Nichts geht ohne Lab

Und schließlich wird der Käsereimilch eine vegetarische Variante des Labs zugesetzt – ein Enzym, das dafür sorgt, dass die Milchproteine verklumpen und sich von der wässrigen Molke trennen. Wenn das Lab während des Reifeprozesses nicht optimal mit dem Säurewecker zusammenarbeitet, kann das einen bitteren Geschmack zur Folge haben.

Grad der Festigkeit

Die Entmolkungsanlage ist eine Säule mit Entwässerungsabschnitten. Die Käsebruchmasse sinkt in der Säule nach unten, wonach die Restmolke abgezogen wird. Der Entmolkungsgrad des Käsebruchs bestimmt teilweise die Festigkeit des Käseblocks. Die Anlage wird darum auch auf die gewünschten Käseeigenschaften abgestimmt. So muss foliengereifter Käse, der in Scheiben geschnitten wird, fester sein als junger Gouda am Stück. Die Festigkeit hat jedoch keinen Einfluss auf den Geschmack. Da sie aber die Textur und damit das Mundgefühl mitbestimmt, wirkt sie sich doch auf das Geschmackserlebnis aus. Im unteren Teil der Entmolkungsanlage wird der Block aus Käsebruch abgeschnitten, das Stück gleitet in die Käseform. Die wird mit einem Deckel verschlossen, wonach der Käse in mehreren Schritten gepresst wird. Der Pressvorgang hat keinen Einfluss auf den Geschmack, aber auf die Rindenbildung und die Qualität. Bei unzureichender Pressung verbleibt zu viel Molke im Käse, wodurch er sauer wird.

In Salz baden

Nach dem Pressen wird der Käse für einige Zeit in ein großes Salzbad getaucht. Das bremst die Versauerung, verbessert die Haltbarkeit und gibt dem Käse Festigkeit und Geschmack. Die Dauer des Bads variiert von einigen Stunden bis zu mehreren Tagen. Und nein, das Salzbad ist kein großer Behälter mit Salzwasser, es ist eine Kultur aus Hefen, Schimmelpilzen, Salz und Bakterien mit einem bestimmten pH-Wert. Durch das Salz und die Organismen hat es Einfluss auf den Geschmack. Bei der Käseherstellung hängt alles von einer guten Produktion und damit einer guten Technik ab. Doch abgerundet wird das Ganze natürlich von der Reifung, der Verkostung und Prüfung des Käses.“

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