Laura schmunzelt. Beim Füttern der zotteligen Galloway- Mastbullen weht der Wind den Heuballen auf den Rücken eines Tieres. Gutmütig wartet der Bulle ab, bis das Futter auf den Boden herunterfällt. Es ist ein kleiner, kurioser Moment, über den sich die junge Landwirtin freut. „Hier passiert immer irgendwas, was mir Spaß macht“, sagt die 20-Jährige mit offenem Blick über das Leben auf dem familieneigenen Betrieb. Und wie jedem Mitglied eine Rolle zukommt, so kümmert sich Laura auch um Melkmaschinen, Kühe und Kälber. Ihre Schwester Marieke hat unter anderem die Bürokratie im Blick und mischt sich nicht in Lauras Arbeit ein. Für das Geschwisterpaar sieht so gelungenes Teamwork aus. Nicht nur optisch ähneln sich die jungen Frauen. „Wir haben beide die gleichen Interessen,“ so die 22-jährige Marieke. Tiere, Natur, Technik, das Arbeiten an der frischen Luft – ihr gemeinsames Ziel ist es, den großväterlichen Hof in der vierten Generation im niedersächsischen Cappel mit 150 Tieren weiterzuführen. „Nach der Schulzeit haben wir festgestellt, dass wir das unbedingt wollen, aber nur im Doppelpack.“ Auch wenn ihre Entscheidung zur Nachfolge im Vergleich zu den Nachbarshöfen spät gefallen ist, haben die Jungbäuerinnen triftige Gründe. Gute Arbeitskräfte sind schwer zu finden – zu zweit teilen sich die Schwestern die Aufgaben oder erledigen sie auch gemeinsam. Das verschafft ihnen mehr Freizeit, mehr Work-Life- Balance. Das ist ihnen wichtig.
Die Hofübernahme der Schwestern ist nicht selbstverständlich. Laura und Marieke Allers stellen eine Minderheit in der deutschen Landwirtschaft dar, denn nur rund elf Prozent aller Betriebe werden von Frauen geführt. Die Zahl ist in den letzten Jahrzehnten kaum gestiegen. Und doch zeigen immer mehr junge Frauen Interesse an dem Beruf – laut des statistischen Bundesamtes wollen mehr Frauen Landwirtin werden. Der Frauenanteil bei neuen Ausbildungsverträgen ist seit 2011 auf 22 Prozent gestiegen. Das Berufsbild wird also attraktiver, aber nicht die Betriebsleitung. Warum genau, das können sich die Schwestern nicht erklären. „Wir haben nicht das Gefühl, dass wir Frauen einen anderen Blickwinkel haben“, sagt Laura. Eigentlich sei es doch egal, ob ein Mann oder eine Frau den Betrieb leitet, es komme darauf an, dass man den Beruf liebt und dass es weitergeht in der Landwirtschaft. „Aber natürlich würden wir uns freuen, wenn mehr Frauen sich zutrauen, einen Betrieb zu führen.“
Auf die Übernahme bereiten sich Laura und Marieke mit einer Ausbildung an der Berufsschule Agrarwirtschaft in Schiffdorf vor, die sie im Sommer beenden. Dann folgt die Meisterprüfung an der Fachschule in zwei Jahren. Für die Mitschüler gelten die „Allers-Sisters“ als Vorbild. Auch Gleichaltrige, die nicht in der Landwirtschaft sind, zollen Respekt. „Von allen Seiten hören wir, dass sie das mutig finden, auch weil sie mit den frühen Arbeitszeiten nicht zurechtkommen würden“, sagt Marieke. Daran musste sie sich auch gewöhnen, aber die Leidenschaft für die Tiere hole sie immer aus dem Bett. Dazu gehöre auch ein optimistischer Blick in die Zukunft, den beide teilen. Sie wissen, dass die Milchviehwirtschaft vor enormen Herausforderungen bei der Umsetzung von Tierwohl und nachhaltiger Produktion steht. Sie wollen sich darum bemühen, zu zeigen, wie Landwirtschaft wirklich funktioniert. „Die Verbraucher haben ein altes Bild vom Milchhof im Kopf“, sagt Laura. „Man hätte viel früher Aufklärungsarbeit betreiben müssen, um zu zeigen, dass wir auf dem höchsten Stand der Technik stehen und dass wir mehr für die Umwelt tun, als man uns nachsagt.“
Umso wichtiger sei es auch, dass man den Landwirten zuhöre, was sie sagen. Das wollen die Allers-Schwestern mit kleinen Projekten erreichen. So haben sie vor Kurzem Kinder mit angehenden Erziehern bei sich herumgeführt, um zu zeigen, was die Milch so wertvoll macht. „Sie müssen sehen, dass hinter dem Lebensmittel ein Tier steht, das frisst, trinkt und einen Platz zum Schlafen braucht.“ Und das hat seinen Preis. Noch ist zeitlich nicht klar, wann Marieke und Laura den Hof übernehmen. Bei Entscheidungen über Haltungsformen und aufwendige Investitionen beraten sie sich mit der ganzen Familie. „Da fehlt uns einfach die Erfahrung“, so die Schwestern. Die bringt ihr Vater Hauke mit, der es voller Stolz seinen Töchtern zutraut, dass sie den Betrieb in der nächsten Generation weiterführen.