Warum beteiligen Sie sich am Pilotprojekt?
Die Anforderungen von Politik und Gesellschaft an die Landwirtschaft und damit an Lebensmittel steigen. Als Landwirt und Lebensmittelproduzent ist es daher mein Bestreben, mich auch den Themen Qualität und Nachhaltigkeit zu widmen. Ich bin mir sicher, dass der Klimawandel in unseren Regionen bereits sichtbar und spürbar ist. Umso mehr ist es für mich notwendig, mich noch besser und langfristiger um meinen Boden und meine Tiere zu kümmern, als es beispielsweise frühere Generationen getan haben. Unsere Produktionsgrundlage, der Boden, ist hier besonders wichtig für den Anbau von Getreide, Mais, Gras und Klee.
All diese Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit erfordern jedoch viel Wissen und auch finanzielle Ressourcen, die ich nicht einfach aus eigenen Mitteln bereitstellen kann. Es ist daher von großem Vorteil, dass wir unsere Molkereigenossenschaft, die DMK Group, sowie alle Projektpartner hinter uns haben, um gemeinsam auf das Ziel einer nachhaltigen, klimaneutralen Milchwirtschaft hinzuarbeiten. Irgendjemand muss den ersten Schritt machen, und ich wollte einer von ihnen sein, auch vor dem Hintergrund, meinen Berufskollegen dann mit dem neu gewonnenen Wissen zu helfen.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf Sie als Landwirt/die Landwirtschaft aus?
Der Klimawandel ist bereits für alle Landwirte in Deutschland spürbar. Landwirte müssen ihre Strategien an die sich verändernden Bedingungen in allen Bereichen ihres Betriebs anpassen, sei es beim Getreideanbau, auf dem Grünland, bei der Biogasproduktion, im Weinbau oder in der Tierhaltung. Das bedeutet vor allem, sich auf extreme Wetterperioden wie Starkregen, mehrmonatige Dürreperioden, warme Wintermonate oder auch Fröste im Frühjahr einzustellen.
Auf unserem Milchviehbetrieb zeigt sich der Klimawandel vor allem darin, dass die Ernteerträge stark schwanken. Auch die Qualität des Futters, das wir selbst auf dem Land anbauen, hängt stark von den Wetterbedingungen ab. In einem Jahr fallen beispielsweise zwei von fünf Grünlandschnitten wegen der starken Trockenheit und des niedrigen Grundwasserspiegels aus und die Maispflanzen sind kleiner als üblich und die Körner bilden sich nicht. Das bedeutet, dass den Kühen ein Drittel ihres Proteins und ihrer Energie im Futter fehlt. All diese Verluste müssen teuer und von externen Quellen zugekauft werden. In einem anderen Jahr kann der Frühling mit so viel Niederschlag beginnen, dass wir kaum auf die Felder gehen können, um sie zu bestellen. Bei unserer Planung müssen wir immer darauf achten, dass wir ausreichende Reserven aufbauen, um all diese Auswirkungen extremer Wetterbedingungen selbst auszugleichen und unabhängig von externen und teureren Ressourcen zu bleiben.
Wie wichtig sind Anreize, um Ihnen bei der Umstellung zu helfen?
Wir können solche enormen Veränderungen nicht alleine anstoßen. Das Risiko, bei einigen großen Veränderungen oder neuen Maschinentypen oder innovativen Düngemitteln und Futterzusätzen aus Unkenntnis große Fehler zu begehen und viel Geld zu verlieren, ist sehr hoch. Die Produktpreise spiegeln zudem noch keine große Verschiebung hin zu mehr Nachhaltigkeit wider, obwohl die Nachfrage danach ständig steigt.
Daher ist es notwendig, zunächst mit Partnern zusammenzuarbeiten, um neue Dinge mit Fachwissen und einer gewissen finanziellen Sicherheit zu testen und sie in den Alltag eines Milchviehbetriebs zu integrieren. Wir sind auf eine rentable Milchproduktion angewiesen, von der meine Familie und ich gut leben und unseren Betrieb innovativ weiterentwickeln können. Denn nachhaltige Lebensmittel und deren emissionsneutrale Produktion sind nicht zum „alten Preis“ zu haben. Daher würde eine Unterstützung und Wertschätzung vom Markt den größten Effekt auf unsere Bemühungen haben. Durch meine Teilnahme am Net-Zero-Pilotprojekt kann ich außerdem meine Berufskollegen aus der Genossenschaft auf diese Reise mitnehmen, sodass alle Mitglieder davon profitieren können.
Was war die schwierigste Umstellung?
Da unser Milchviehbetrieb bereits auf viele innovative und unkonventionelle Arten eingerichtet war, mussten wir beispielsweise keine Änderungen an den Ställen oder Maschinen vornehmen. Die Kühe leben in einem Freilaufstall auf Stroh und haben täglich Zugang zur Weide. Wir melken automatisch und verwenden viel Sensortechnik zur Überwachung.
Ich würde sagen, das Schwierigste auf unserem Familienbetrieb war es, ein angepasstes Managementsystem einzurichten. Denn wir mussten ein laufendes System ändern: Z. B. neue Zuchtziele für die Herde festlegen und umsetzen, ein strengeres Fütterungsmanagement einführen und überwachen, lernen, verschiedene Futterpflanzen anzubauen und sie richtig zu verwenden. Jeder Bereich unseres Betriebs hat neue Aufgaben erhalten. Die korrekte Erfassung von Daten und deren Auswertung ist entscheidend, um den Erfolg der einzelnen Maßnahmen zur Erreichung des Ziels einer klimaneutralen Landwirtschaft zu messen. Glücklicherweise sind für Letzteres hauptsächlich die Projektpartner und DMK verantwortlich.
Was hat Sie in diesem Prozess am meisten überrascht?
Nach der ersten präzisen Berechnung unseres CO2-Fußabdrucks für Milch haben wir festgestellt, dass die Treiber dieses Wertes zu einem Drittel aus zugekauften Produkten wie Düngemitteln und Kraftfutter stammen. Also Produkten, die wir zwar verwenden, auf deren Herstellung oder Herkunft wir aber keinen Einfluss haben. Ein ausgewogener betriebseigener Produktionszyklus hat daher einen enormen Einfluss auf den CO2-Fußabdruck von Milch. Außerdem ist der nachhaltigste und klimaneutralste Betrieb entgegen der landläufigen Meinung derjenige, der am effizientesten arbeitet.
Hat dies die tägliche Praxis erschwert oder erleichtert? Lohnt es sich Ihrer Meinung nach?
Die tägliche Praxis ist viel komplexer geworden. Um nur einige Beispiele zu nennen: Es sind mehr Schritte und Zeit erforderlich, um die Mischration mit verschiedenen Zusatzstoffen zuzubereiten und die Paarung der Kühe zu planen, die unterschiedlichen, detaillierteren Zuchtzielen folgt. Und fast überall ist der Dokumentationsaufwand gestiegen oder neuer hinzugekommen.
Insgesamt bleiben die Routinearbeiten jedoch gleich, da die Herde immer noch gleich groß ist, die Flächen für die Futterproduktion gleich sind und wir immer noch dasselbe Team sind. Wir haben aber natürlich andere Ziele, müssen diese in unsere tägliche Arbeit integrieren und bei jedem Schritt, den wir nach vorne machen, im Hinterkopf behalten. Aber ich glaube, dass all dies sinnvoll ist und sich auch als hilfreich erweisen wird. Denn wir müssen Wege finden, mit dem Klima und der sich verändernden Umwelt umzugehen, den Boden zu schützen und unsere Tiere zu pflegen, um sicherzustellen, dass jeder weiterhin hochwertige Lebensmittel konsumieren kann.
Wie würden Sie andere Landwirte ermutigen, diese Änderungen vorzunehmen?
Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die ergriffen werden können, um die Nachhaltigkeit und die CO2-Bilanz eines Milchviehbetriebs zu verbessern. Jeder Landwirt, der sich auf den Weg der Veränderung oder Verbesserung machen möchte, sollte zunächst genau wissen, wo der Betrieb steht. Danach sollten die Produkte oder Teile des Betriebs identifiziert werden, die den größten Einfluss auf den eigenen CO2-Fußabdruck haben – dies kann von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein – und dann mit den entsprechenden Maßnahmen begonnen werden.
Zum Beispiel: Es gibt Maßnahmen, die sofort wirken, wie der Kauf von klimafreundlichem Dünger oder Kraftfutter. Mittelfristige Effekte sind beispielsweise eine angepasste Futterproduktion oder der Pflanzenbau insgesamt, da von der Planung über die Aussaat bis zur Ernte immer mindestens ein Jahr vergeht. Längerfristige Maßnahmen wie die Zucht müssen gut überlegt sein, da sie erst nach drei Jahren – von der Paarung über die Geburt bis zur ersten Milch – Wirkung zeigen.
Ich möchte jedem Landwirt sagen, dass ich immer positives Feedback erhalten habe, wenn ich mit Freunden und Fremden über nachhaltige und zukünftige klimaneutrale Landwirtschaft und Milchproduktion gesprochen habe. Es wertet das Argument auf, dass Landwirtschaft und Viehzucht doch nachhaltig und modern sein können und aktuelle gesellschaftliche Fragen angehen. Die moderne Milchproduktion mit ihren organischen Düngern und innovativem und teilweise regenerativem Pflanzenbau bildet einen Wirtschaftskreislauf, der sich mit den sich ändernden Wetter-, Klima- und Gesellschaftsbedingungen gut vereinbaren lässt und am Ende immer noch rentabel ist.
Wie lange sind Sie schon Landwirt?
Nach dem Abitur 2010 habe ich eine Ausbildung zum Landwirt gemacht und anschließend Agrarwirtschaft studiert. Seit 2019 bin ich nach verschiedenen Praktika fest angestellt auf unserem Familienhof und zuständig für die Futterproduktion, die Fütterung aller Tiere, die Instandhaltung der Maschinen und die Aufgaben für Produktstandards, Molkerei, Controlling und Dokumentation.
Wie sieht Ihr Arbeitstag normalerweise aus?
Ein typischer Arbeitstag beginnt für mich um 8:30 Uhr, nachdem ich meine Tochter fertig gemacht und in den Kindergarten gebracht habe. Am Vormittag erledige ich Routinearbeiten im Stall wie Ausmisten, Einstreu, Füttern und Beobachten der Tiere. Mein Vater und unser Mitarbeiter kümmern sich um die Melkroboter und treiben die Kühe zusammen. Auch ist jetzt Zeit für Besamungen, ggf. Tierarztbesuche, einmal wöchentliches Umstallen der Jungtiere nach Altersgruppen, Wartung der Melkroboter oder Bürozeit für Telefonate und Dokumentation.
Nach der Mittagspause ab 14:00 Uhr ist Zeit für Feldarbeit oder die Verarbeitung und Zubereitung der verschiedenen Mischrationen für Kühe, Färsen und Kälber. Ein- bis zweimal pro Woche werden alle Liegeflächen komplett ausgemistet und der Mist zur Verwertung in die genossenschaftliche Biogasanlage gebracht.
Ab 17.00 Uhr beginnt wieder die Routinearbeit im Stall und je nach Schicht und Arbeitsanfall sollte der Tag zwischen 18.00 und 20.00 Uhr enden.
Allerdings gibt es oft keinen „normalen“ Tagesablauf mit vorhersehbaren Zeiten: Vor allem in den Sommermonaten fallen viele Stunden Erntearbeit an, und die Betreuung der Kühe und Jungtiere auf den Weiden nimmt mehr Zeit in Anspruch. Gelegentlich müssen sie nach einem ungeplanten Ausflug wieder eingefangen werden. Ca. 1/3 des Tages kann und soll ich nicht verplanen, da es immer unvorhergesehene Dinge gibt, die sowieso erledigt werden müssen, ganz zu schweigen von den gelegentlichen nächtlichen Alarmen der Melkroboter.