Vor etwa 30 Jahren dachten Stef und Lenie vom Hof De Tienmorgen: Hier muss mehr Schwung in die Bude! Damals hielten sie auf einem abgelegenen Hof in der niederländischen Provinz Nordbrabant 60 Milchkühe, alles war gut, aber sie wünschten sich ein viel regeres Leben auf dem Hof. Nur, wie gelingt regeres Leben? Indem sie ein Publikum für sich begeistern, das länger bleibt als nur für die Dauer eines Rundgangs, dachten sie, eines, das die Betriebsamkeit inmitten der Idylle und Ruhe des Landes genießt und verweilt, tage-, vielleicht sogar wochenlang. Und so eröffneten sie den ersten Campingplatz auf einem Milchviehbetrieb in den Niederlanden.
Heute hat vor allem Tochter Hanneke van Overbeek-Gosens das Zepter über Haus und Hof in der Hand. Zusammen mit ihrem Vater Stef, Ehemann Richard, Bruder Huub und Schwägerin Laura betreibt sie heute den Mischbetrieb im niederländischen Beers. Der Campingplatz ihrer Eltern hatte damals nicht nur den Effekt, dass immer mehr Gäste kamen und das Hofleben spannender machten. Schon bald kristallisierte sich heraus, dass er sich auch als Therapiebauernhof eignen würde. Im Laufe der Zeit wurden Sonderschulen auf den Hof aufmerksam und schickten ihre geistig und/ oder körperlich eingeschränkten Kinder auf den Hof, um an der Landluft Therapieangebote wahrzunehmen. Heute gilt der Hof in den Niederlanden offiziell als „Ort der Erholung“.
Die Milchviehhaltung ist seitdem zwar nur noch Nebenerwerb – aber weitaus mehr als nur ein Hobby: „Die Milchviehwirtschaft muss als eigenständiges Gewerbe schwarze Zahlen schreiben“, sagt Hanneke. „Anfangs mussten wir uns auf dem Gebiet erstmal zurecht¨nden, vor allem weil wir so wenig Milch produzierten“, erinnert sie sich. 2014 entschieden sie sich zu einer Mitgliedschaft bei DOC Kaas, an die sie fortan lieferten. „DOC Kaas hat uns sehr unterstützt und die Zusammenarbeit lief von Anfang an sehr gut.“ Ehemann Richard von Ovebeek-Gosens hat derweil ein Auge darauf, dass die Milch unter höchsten Qualitätsstandards erzeugt wird. Inzwischen hat sich die Milchviehhaltung auf dem Hof mit 30 Milchkühen und 30 Jungtieren zu einem ernstzunehmenden Gewerbe entwickelt. Die Kühe sind kräftige, große, gut entwickelte und ausgesprochen schöne rote Holsteiner. Kein Wunder, dass die Familie bei Zuchtviehschauen so erfolgreich ist. „Der Höhepunkt war 2019, als wir an der europäischen Meisterschaft teilgenommen und in der Gruppe Rotbund den Sieg davongetragen haben“, sagt Hanneke stolz. Erst kürzlich hatte sie noch auf einer Show zwei Siegerkühe vorgestellt.
Die rotbunten Holsteiner erzielen im gleitenden Jahresmittel eine Milchproduktion von 10.500 Kilo mit 3,77 Prozent Eiweiß und 5,10 Prozent Fett. „Wir streben keine maximale Produktion an“, berichtet Richard, der dennoch fast drei Tonnen Milch pro Jahr liefert. Die Ration der Kühe besteht zu 75 Prozent aus Grünfutter und zu 25-Prozent aus Mais, dazu bekommen die Tiere unbegrenzt Heu nach Bedarf. Die Silage fährt Richard mit dem Futterverteiler bis ans Futtergitter, und die Aushilfsbauern helfen dann mit der Schubkarre bei der Fütterung mit Mais. Das Kraftfutter wird den Tieren über die Kraftfutterbox verabreicht, damit sie immer die richtige Menge erhalten. „Mit gutem Grünfutter erzielt man großartige Ergebnisse beim Melken“, sagt Richard, der viel Energie in die Grünlandbewirtschaftung investiert. Dank der extensiven Betriebsführung mit 16 Hektar Maiszukauf, kann er die Tiere den ganzen Winter über füttern. Von Mitte April bis November erhalten sie Weidegang, im Sommer Tag und Nacht. Damit die Trockensteher genügend Bewegung bekommen, sind sie immer im Freien. Trotz des relativ alten Stalls liegen die Kühe in geräumigen Tiefstreuboxen, die mit einer Bio-Einstreu bedeckt sind, und auch der alte Melkstand leistet noch immer seine Dienste. Eine Erweiterung der Milchwirtschaft ist nicht geplant. „Wir wollen mit unserer kleinen Tierhaltung zeigen, auf welche Weise wir arbeiten“, erklärt Richard die Liebe zur Sorgfalt und Professionalität in allen Bereichen. „Man muss tun, was einem Freude macht, und worin man gut ist – nur dann hat man Erfolg.“
Das Geheimnis, um auf Zuchtschauen Erfolge zu erzielen, liegt in der ausgeklügelten Arbeitsteilung in jedem Winkel des Hofes. „Hannekes Bruder Huub melkt die Kühe und Aushilfsbauern helfen uns bei den Zuchtschauen“, sagt Richard. Auch beim Schleppen und Walzen des Grünlands braucht er nicht selbst den Traktor zu besteigen – freiwillige Aushilfsbauern übernehmen die Arbeit liebend gern, und auch Campinggäste stehen immer Schlange, um bei der Heuernte zu helfen. Mit knapp 50 Stellplätzen auf dem Campingplatz, Kinderfesten, Naturwanderungen und Chalets sind nahezu immer Gäste auf dem Hof. „Wenn eine Kuh kalbt, stehen bestimmt 25 bis 30 Leute jeden Alters dabei, denen ich erklären muss, warum ich das Kalb von der Kuh trenne“, sagt Richard, „Wir legen immer offen und ehrlich dar, was wir in jedem Schritt tun.“ Das fein abgestimmte Triangel der Familie funktioniert nun schon seit 30 Jahren. Auch wenn das einzigartige Konzept einen Sonderweg geht in der Landwirtschaft und die Höhen und Tiefen der Branche durch die weiteren Standbeine abgefedert werden, steht der Hof für einen positiven Dialog zwischen Landwirtschaft und Konsument. „Die jährlich wiederkehrenden Gäste, die begeisterten Aushilfsbauern und die prämierten Kühe stehen für einen positiven Blick auf eine Branche, die viel improvisieren und ausprobieren muss, um den Anforderungen standzuhalten“, sagt Richard. „Wir müssen alle einen Weg finden – aber Aufgeben ist für meine Familie und mich absolut keine Option.“