Auf dem Prüfstand
Mythos oder Fakt – das Wissenschaftsprojekt „Update Milch“ untersucht die gesundheitlichen Auswirkungen von Milch und Milchprodukten.

Wie schädlich ist die Milch für uns Menschen? Lässt sie uns dicker werden? Erhöht sie den Blutdruck? Um eine Tatsache vorwegzunehmen: Sie ist unbedenklich für das Herz. Das ist das Zwischenergebnis einer sogenannten Netzwerkmetaanalyse, die vom Institut für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführt wurde. Dafür wurden die Ergebnisse von 19 Studien begutachtet und ausgewertet. Die Wissenschaftler haben dabei festgestellt, dass Milch und Milchprodukte wie Käse und Joghurt keinen negativen Einfluss auf Blutdruck und Cholesterin haben. Auch nicht auf andere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So spielte es keine Rolle, ob die Versuchsteilnehmer fettarme oder Vollfettprodukte und mehr als die empfohlenen zwei Portionen zu sich nahmen. Die Empfehlung liegt laut Ernährungsexperten für Erwachsene bei Milch mit rund 250 Millilitern oder als Milchprodukt, beispielsweise Joghurt, und zwei Scheiben Käse am Tag.

Streitthema Milch

Die Untersuchung ist Teil der vor einem Jahr gestarteten Studie „Update: Milch – Neues aus der Wissenschaft“, an der sich zusätzlich das Kompetenzzentrum für Ernährung in Freising und das Institut für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München beteiligen: geballter Wissensaustausch, um sich mit Vorurteilen auseinanderzusetzen. „Das Thema Milch und Milchkonsum wird zunehmend kontroverser diskutiert, die Sachlichkeit geht dabei verloren“, sagt Hans Hauner, Ernährungsmediziner und Leiter der Münchner Forschungsgruppe. Ziel sei es, einen Überblick über aktuelle Erkenntnisse zu schaffen. Denn es gibt viele Beobachtungsstudien zum Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Krankheitsrisiken. Bisher war die Datenlage für Wissenschaftler jedoch nicht ausreichend. Update Milch fasst den neuesten Forschungsstand zusammen. Die Studie dient dazu, den emotional aufgeladenen Diskussionen, wie sie etwa in sozialen Medien stattfinden, mit wissenschaftlich fundierten Ergebnissen entgegenzuwirken. „Wer laut schreit, bekommt mehr Gehör, als jemand, der nüchtern und sachlich bleibt“, sagt Hauner. Häufig fehle es aber an Belegen für getroffene Aussagen.

„Die Milch ist für die meisten Menschen völlig unbedenklich und ein wertvolles Lebensmittel.”

Prof. Dr. Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin.
Prof. Dr. Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin.

Neutrale bis positive Effekte

Im vergangenen Jahr wurde nun die Netzwerkmetaanalyse vorgestellt. So konnten die Forscher unter anderem belegen, dass sich durch fettarme und fettreiche Milchprodukte der systolische Blutdruck, der den Druck beim Herzschlag misst, wenn sich der Herzmuskel zusammenzieht und sauerstoffreiches Blut in die Gefäße pumpt, leicht verbesserte. Fermentierte Produkte wie Joghurt hatten sogar eine noch bessere Wirkung. Auch das Körpergewicht stieg durch moderaten Konsum nicht an und die Blutfettwerte wurden kaum beeinflusst. Sie gelten als Marker für Krankheiten wie diverse Durchblutungsstörungen, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mit rund 40 Prozent aller Sterbefälle die führende Todesursache in Deutschland. „Wir sehen, dass Milch und Milchprodukte einen relativ guten Schutz vor Dickdarmkrebs liefern“, so Hauner. Möglicherweise wird durch das enthaltene Kalzium die Schutzfunktion vermittelt. Die Wissenschaftler wollen das als nächstes erforschen. Außerdem prüfen sie die Auswirkungen von Milchkonsum auf Karzinome und Diabetes. „Die Milch ist für die meisten Menschen völlig unbedenklich und ein wertvolles Lebensmittel.“ Sie sei außerdem ein guter Eiweiß-, Vitamin- und Jodlieferant.