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31.03.2022

„Mehr Planungssicherheit und Selbstbestimmung“

Ein Interview mit Prof. Dr. Holger D. Thiele zu Chancen, Hintergründen und Entwicklungen von Festpreismodellen wie Fixed Price von DMK.

Bereits seit 1,5 Jahren betreibt DMK mit Fixed Price ein Festpreismodell, in dem DMK-Landwirte einen Teil ihrer monatlichen Milchmenge zu Festpreisen anbieten können. Ein Angebot, dessen Weiterentwicklung zur Einführung für die Genossenschaftskollegen von DOC U.A. in den Niederlanden aktuell geprüft wird. Ein wichtiger Partner ist dabei Professor Dr. Holger D. Thiele von der Fachhochschule Kiel. Er ist Professor für Agrarökonomie und Leiter des ife-Instituts, das mit der monatlichen Berechnung des ife-Börsenmilchwertes (auch Kieler Börsenmilchwert genannt) die Basis zur Ermittlung der angebotenen Festpreise liefert. Darüber hinaus hat er die Grundidee des Milchfestpreismodells entwickelt. DMK sprach mit ihm Anfang März über die aktuelle Marktlage und welche Bedeutung Festpreismodelle darin spielen können, wie die angebotenen Preise berechnet werden und wie in anderen Ländern mit diesen Modellen gearbeitet wird.

DMK: Während es Warenterminbörsen bzw. Absicherungsgeschäfte bereits seit den Anfängen der Börse gibt, ist der Handel mit Milch noch relativ jung und für viele Landwirte sicherlich Neuland. Welche Vorteile ergeben sich für die Betriebe durch die Teilnahme an Festpreismodellen wie Fixed Price gegenüber dem eigenen Handel an der Börse?

 

Prof. Dr. Thiele: Wer als Landwirt selbstständig mit Milch an der Börse handeln möchte, muss sich zum einen intensiv in das komplexe Thema einarbeiten, zum anderen muss er die benötigte Liquidität bereitstellen. Das sind Hürden, die die unmittelbare Marktteilnahme der Landwirte erschweren. Zudem gibt es derzeit keine Möglichkeit für Landwirte in Deutschland, das notwendige Handelskonto für eigene Preisabsicherungsgeschäfte an der Börse zu eröffnen. Festpreismodelle über die Molkerei verschaffen hier Abhilfe und ermöglichen eine Teilnahme ohne diese zusätzlichen Belastungen und Einschränkungen.

 

Der Landwirt kann also selbst am Marktgeschehen teilnehmen und entscheiden, für welche Preise er seine Milch anbietet. Welche Chancen bietet ihm das?

 

Prof. Dr. Thiele: Dank der verbindlichen, festen Preise für die abgesicherte Milchmenge zu zukünftigen Lieferterminen erhalten die Höfe deutlich mehr Planungssicherheit. Sie garantieren den Landwirten keine Höchstpreise, aber bieten ihnen die Möglichkeit, Phasen von Tiefstpreisen auszugleichen. Darüber hinaus verbessert die Teilnahme an Festpreismodellen das Rating der Betriebe durch Banken und damit die Chancen auf bessere Finanzierungsbedingungen.

Momentan erleben wir eine Phase von Höchstpreisen, seit einigen Monaten steigen die Milchpreise kontinuierlich an.* Ist die Teilnahme an Festpreismodellen dennoch sinnvoll?

 

Prof. Dr. Thiele: Je höher die Preise steigen, desto wahrscheinlicher wird es allerdings auch, dass diese Situation wieder kippt und die Preise wieder sinken. Die Teilnahme an einem Festpreismodell wie Fixed Price kann daher sinnvoll sein, da niemand weiß, wann dieser Wendepunkt eintreffen wird und sich die Teilnehmer dann entsprechende Preise gesichert haben. Grundsätzlich ist die Teilnahme an Festpreismodellen für alle Landwirte sinnvoll, die mehr Planungssicherheit haben möchten und ein Stück weit selbst bestimmen wollen, zu welchen Preisen sie ihre Milch vermarkten. Dafür sollte man sich aber mit seinen Betriebskosten auseinandersetzen und eine eigene Absicherungsstrategie entwickeln: Liegen die eigenen Vollkosten je Kilogramm Milch unterhalb des absicherbaren Festpreises, dann kann der Landwirt sich diese positiven Margen sichern. Wer diesen Aufwand scheut oder wessen ausschließliches Ziel es ist, Höchstpreise zu erzielen, für den ist dieses Tool nicht zu empfehlen. Allerdings können auch die Nichtnutzer der Festpreisabsicherung vom Tool profitieren, indem sie laufend die Preise und Preiserwartungen für die Zukunft ablesen können.

Die in Fixed Price angebotenen Preise entsprechen nicht dem Börsenmilchwert, sondern liegen darunter. Woran liegt das?

 

Prof. Dr. Thiele: Der ife-Börsenmilchwert ist ein Zukunftswert für die Milch und die Grundlage für die Berechnung der Festpreise, die die Teilnehmer von Festpreismodellen angeboten bekommen. Er gibt an, welcher Milchpreis anhand der Preise für Butter und Magermilchpulver an der Warenterminbörse im Idealfall für die kommenden Monate zu erwarten ist. Somit beinhaltet er nur die Preiserwartungen aus den zwei Eckprodukten Magermilchpulver und Butter ohne Betrachtung anderer, möglicherweise niedrigerer, Preise für z. B. Konsummilch und Käse oder auch abweichende Kontraktlaufzeiten. Der Börsenmilchwert spiegelt die Preiserwartung und Verwertung der Marktteilnehmer zum tagesaktuellen Zeitpunkt wider und kann sich täglich ändern, wenn sich auch die Preiserwartungen ändern. Er stellt eine Gesamtverwertung dar, während die von den Molkereien angebotenen Festpreise auch Risikoabschläge enthalten. Der Börsenmilchwert gilt für eine Standardmilch mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß, ab Hof des Milcherzeugers, ohne Mehrwertsteuer. Das heißt, die durchschnittlichen Erfassungskosten vom Milcherzeuger bis zur Molkerei sind bereits berücksichtigt. Zudem enthält der Börsenmilchwert bereits die Zuschläge, die zum Festpreis hingegen noch hinzukommen, wie z. B. den Logistikbonus. Außerdem weicht die durchschnittliche Entwicklung der Börsenmilchwerte von denen einer Molkerei ab. Um dieses sogenannte Basisrisiko muss der Börsenmilchwert korrigiert werden, damit er für die Milcherzeuger einer Molkerei zur Absicherung verwendet werden kann. Ebenso muss der Börsenmilchwert bei der Nutzung der Börse um die Systemkosten für den Terminhandel und die Bank angepasst werden. Im Resultat ist der angebotene Festpreis inkl. der systembedingt notwendigen Abzüge niedriger als der Börsenmilchwert und die teilnehmenden Landwirte bekommen ihre gewohnten individuellen Zuschläge mit der Milchgeldabrechnung des jeweiligen Monats noch hinzu.

Wie sieht es im internationalen Umfeld aus? Welche Rolle spielen Festpreismodelle in anderen Märkten?

 

Prof. Dr. Thiele: Aus den Vereinigten Staaten wissen wir, dass börsenbasierte Festpreismodelle schon lange zu den üblichen Risikomanagementtools im Milchmarkt gehören. In Deutschland sind es derzeit mindestens zehn Molkereien, die börsenbasierte Festpreismodelle umsetzen bzw. in Umsetzungsschritten stecken. DMK gehörte dabei zu den ersten, die diese Angebote für die eigenen Milchviehbetriebe bereitgestellt haben. Eine hohe Nachfrage nach ähnlichen Festpreismodellen, wie sie von DMK umgesetzt wurden, sind in Europa beispielsweise in Frankreich, in Belgien, in den Niederlanden und in Polen festzustellen. Wir beobachten ein stark steigendes Interesse an diesen Festpreismodellen in ganz Europa und gehen davon aus, dass sie bei weiter schwankenden Milchpreisen zunehmend auch in unseren Nachbarländern zu einem immer wichtigeren Angebot für die Milchlieferanten werden.

 

 

*Das Interview wurde Anfang März 2022 geführt.

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