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21.07.2021

Wie der Wandel gelingt

Die Landwirtschaft befindet sich in einem starken Umbruch. Milchbauern wie Familie Mensink und Cecile Fokkert zeigen, mit welchen Ideen sie den Anforderungen schon jetzt begegnen.

„Meine Frau Elly und ich denken viel über den Betrieb und die Zukunft unseres Milchviehbetriebs nach. Ich führe ihn schließlich bereits in fünfter Generation. Ich bin stolz, auf eine 140-jährige Hofgeschichte zu blicken. 2001 habe ich den Gemischtbetrieb von meinem Vater übernommen: 59 Hektar Land mit Kartoffeln, Rüben, Gras, Mais und rund 70 Kühen. Drei Jahre später verkaufte ich die Ackerbau-Aktivitäten, um mich ganz auf die Milchviehhaltung zu konzentrieren. Zu Beginn hatte ich 70 Holsteiner-Kühe. Inzwischen sind es 120 Kreuzungen aus Holstein, Fleckvieh, Skandinavischem Rotvieh, dazu 60 Jungrinder. Der Jahres-durchschnitt je Kuh liegt bei knapp 9.000 Kilo VLOG-Milch mit einem Fettgehalt von 4,38 und einem Eiweißgehalt von 3,63 Prozent.

Hans Mensink, 51, Milchbauer aus Linde, Niederlande.

Auf den Wandel einstellen

Neben den 59 Hektar Land haben wir noch 24 Hektar dazu gepachtet, davon zwölf von einem Landschaftsschutzverband. Wir sind stolz darauf, dass der Milchviehbetrieb vollständigen Weidegang bietet und seit 2015 zwei Melkroboter im Einsatz hat. Das zu den Eckdaten. Wie alle anderen Landwirte muss auch ich mich auf den großen Wandel in der Landwirtschaft einstellen. Das ist nicht leicht, aber ich versuche ihm mit eigenen Ideen zu begegnen, was mir vor allem im Bereich Energiemanagement gelingt.

Meine Leidenschaften sind seit vielen Jahren die Erzeugung nachhaltiger Energie und das Energiesparen an sich. 2018 habe ich gut 1.100 Solarmodule auf den Stalldächern montiert. Im ersten Jahr, 2019, produzierten die Module etwa 250.000 Kilowatt Strom. 2020 installierte ich 300 weitere, wodurch wir in diesem Jahr schon 310.000 Kilowatt erzeugen konnten. Im Winter produzieren wir an klaren, aber kurzen Tagen immer noch 1.000 Kilowatt, im Sommer gut 2.000. Unsere Familie verbraucht für den Betrieb und die Wohnungen jährlich etwa 100.000 Kilowatt. Die überschüssigen 210.000 Kilowatt verkaufen wir.

Erfolgreich durchs Ausprobieren

Das spornt natürlich an und dann packte mich regelrecht das Energiesparfieber. Ein Jahr später installierte ich zwei Elektroboiler und eine Milk2Heat-Anlage – eine niederländische Erfindung. Sie beheizt die Wohnung und das Leitungswasser mit einem ausgeklügelten System: Die frisch gemolkene, warme Milch fließt mit 37 Grad direkt von der Kuh in den Milchkühltank. Beim Kühlen der Milch wird Wärme freigesetzt, die früher einfach in der Außenluft verschwand. Die Milk2Heat-Einheit jedoch entzieht der Milch die Restwärme bei der Kühlung und befördert sie in den Zwischenspeicher des Heizsystems. Zugleich sorgt die Einheit für die weitere Kühlung, damit die Temperatur der Milch im Milchkühltank bei 3 Grad bleibt. Die Wärme wird also für eine neue Verwendung zurückgewonnen. Über eine Leitung unter der Straße wird die Restwärme in das etwa 50 Meter vom Stall entfernte Wohnhaus geleitet. Im kalten Februar war es dann gemütlich warm in unserem Haus, und wir brauchten außer zum Kochen kein Gas verbrauchen. Unsere Fußbodenheizung wurde mit der Wärme aus Milch beheizt. Das muss man sich mal vorstellen! Für mich sind das Komfort und Lebensqualität pur.

„Unser Fußboden wird von Milchkühen beheizt!“

Freude am Energiesparen

Jetzt sind sowohl der Milchviehbetrieb als auch unser Wohnhaus energieneutral, und außer Milch liefere ich auch Strom. Das ist von großem Vorteil, weil es eine weitere Einkommensquelle neben den Kühen ist, die nur wenig Arbeit macht. Wirtschaftlich ist die Kombination aus Fördermitteln und eigener Stromerzeugung attraktiv, auch wenn man als Großverbraucher den selbst erzeugten Strom nicht einfach ins Netz zurückliefern und verrechnen kann. Reich wird man davon nicht, aber es ist immerhin etwas. Meine Frau sagt, dass sie mich ständig dabei ertappt, wie ich in der Energie-App nachschaue, was die Solarmodule leisten. Es macht mir einfach Spaß, diese selbst erzeugte Leistung zu beobachten!

Zeitersparnis durch nachhaltiges Wirtschaften

Im Bereich Energiemanagement habe ich das erreicht, was ich erreichen wollte. Neue Vorhaben kosten gerade einfach zu viel Geld. Das lohnt sich nicht. Allerdings habe ich schon wieder etwas anderes im Auge: Ich suche nach einer effizienten und bequemen Methode für das Abdecken des Raufutters in den Fahrsilos. Ich habe da so ein selbstfahrendes, per Fernsteuerung bedienbares System im Auge, das Raufutter mit einer Plane abdecken kann. Das System ist mit einer aufgerollten Plane versehen, die über das Raufutter gezogen wird. Zur Futterentnahme kann es die Plane ein Stück aufziehen. Unsere Investitionen in Roboter, nachhaltige Energie und vielleicht bald in dieses System haben viel mit dem Thema Komfort zu tun. Elly und ich wollen nicht den ganzen Tag lang nur arbeiten. Wir wollen auch Zeit zum Leben haben und uns um unsere Kinder und Enkel kümmern. Wenn das auf nachhaltige Weise möglich ist – umso besser.“

Cecile Fokkert, 23, Junglandwirtin aus Holthone, Holland.

„Wir sind ein echter Familienbetrieb. Meine Mutter ist die Kälberexpertin, mein Onkel und mein Vater melken die Tiere. Mein Onkel weiß beim Melken genau, um welche Kuh es sich handelt und welche Zusammensetzung ihre Milch hat. Außerdem kümmert er sich darum, dass im Stall und seiner Umgebung alles in Ordnung ist.

Wir melken mit einem 30er Innenmelker-Karussell und haben 135 Hektar Land, das meiste davon gepachtet: 80 Prozent Grünland und 20 Prozent Mais. Unsere 250 Kühe produzieren jährlich 10.500 Liter VLOG-Milch. Um den Herausforderungen der modernen Landwirtschaft gerecht zu werden, braucht es eine starke innere Haltung zu diesem Berufsfeld. Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Welches Bild soll die Landwirtschaft vermitteln? Wie kann man sich konkret einbringen? Ich selbst möchte sowohl mit dem Kopf als auch mit den Händen arbeiten. Darum passt die Vielseitigkeit des Bauernhofbetriebs so gut zu mir: Hier müssen mit den Händen Probleme gelöst und mit dem Kopf Pläne entwickelt werden. Ein Kernthema sind hier die Verbraucher.

DOC Kaas habe ich schon als Kind kennengelernt. Ich ging mit in die Käserei und sah dort die schönen Käselaibe. Warum liegen die nicht genauso im Verkaufsregal? Warum wissen die Verbraucher so wenig darüber, wie gut unsere Produkte sind und wie sie entstehen? Das muss sich ändern, dachte ich. Seit Ende 2018 bin ich im Junglandwirte-Ausschuss unserer Genossenschaft aktiv. Wir haben schon viel erreicht, aber ich finde, dass wir mehr in die Öffentlichkeit treten müssten, um unsere Meinung zu verbreiten und unsere Passion zu teilen. Ich würde den Verbrauchern gern das Traditionelle des Bauernhofbetriebs in modernem Gewand zeigen. Den Menschen einen Teil unserer Leidenschaft vermitteln und ihnen mit einem Stück Käse einen Eindruck vom echten Bauernhofleben geben.

„Es braucht eine richtige innere Haltung!"

Tradition spielt so eine große Rolle in der Landwirtschaft. Ursprünglich hielt mein Opa Schweine und Kühe auf einem kleinen Hof in Den Ham. 1991 zog er mit meiner Oma, meinen Eltern und meinem Onkel an diesen Standort in Holthone um. Der Hof war damals ein Praxisbetrieb, Mitarbeiter im Lohndienst führten Untersuchungen durch und mit den Kühen wurde Geld verdient. Mein Opa war ein Mann der wenigen Worte, wusste aber genau, was er wollte. Er führte den Betrieb an diesem Standort mit 80 Kühen weiter und baute hinter den vorhandenen Gebäuden einen neuen Jungviehstall. Mein Vater und mein Onkel Gert errichteten später noch einen weiteren Stall sowie den Melkstand. Sie bauten das Futtermittellager um und erweiterten den Tierbestand. Wir alle in der Familie lieben unseren Beruf. Alles geht Hand in Hand, nichts funktioniert ohne Teamgeist. Wenn ich es in Zukunft schaffe, den Menschen ein echtes Bild von der Landwirtschaft zu vermitteln, dann habe ich viel bewirkt.“

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