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26.04.2023

Mehr Selbstbestimmung, mehr Freiheit

Fortschrittlich, aber immer mit Herzblut für seine Kühe: Torben Brockmann steht für die nächste Generation von Landwirten, die mit innovativen Ideen ihren Hof modernisieren – Melkroboter spielen dabei eine große Rolle.

Da ist noch Luft nach oben. Er kann sich vorstellen, dass Schulklassen über seinen Hof laufen und hautnah erleben, wie sich Landwirtschaft anfühlt. Ein Social-Media-Auftritt wäre denkbar und der kleine Hofladen mit eigenen Produkten, der vielleicht zum Anziehungspunkt wird, zum kleinen Magneten in der Region, der den Austausch mit Menschen fördert, die sich wirklich für das interessieren, was der 29-jährige Landwirt liebt: sein Land, seinen Hof, seine Kühe. „Traumhaft wäre das“, sagt Torben Brockman und lächelt. Wenn er einen Wunsch frei hätte, wäre das eine ganz neue gesellschaftliche Perspektive auf die Landwirtschaft. Ohne Bilder von grummeligen Bauern, die sich gegen den Fortschritt stemmen und denen Kühe egal sind. „Denn das ist ein vollkommen falsches Bild“, sagt er.

Tiere im Zentrum

Der junge Landwirt leitet einen Milchviehbetrieb mit 250 Kühen in Scheeßel, Niedersachsen. Er führt den Hof nun in der dritten Generation – eine Entscheidung, auf die er stolz ist, weil er den Mut hat, Unternehmer zu sein in einem Beruf, der ihn fordert und gleichzeitig ermöglicht das auszuüben, was er am besten kann: die Arbeit mit den Tieren. „Ich will, dass es den Kühen gut geht, nur so können sie auch ihr Leistungspotenzial ausschöpfen.“ Das klingt erstmal kühl und kaufmännisch, aber erfolgreiches Wirtschaften sei nun mal das A und O eines funktionierenden Betriebs. Eine glückliche und gesunde Herde mache ihm das Leben dabei einfacher. Er setzt auf geräumige Ställe, Ruhezonen für trächtige Kühe und Wellnessbürsten, die für gute Durchblutung und schönes Fell sorgen, Weidegang im Sommer, gutes Kraftfutter und seine neueste Anschaffung, zwei Melkroboter. „Ich brauche kein dickes Auto“, sagt er, „mir sind solche Anschaffungen viel wichtiger.“ Auch das wäre etwas, das er gern noch viel stärker kommunizieren würde. Der Fokus auf das effiziente Wirtschaften eines Landwirts helfe vor allem, den Kühen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Hilfreiche Technik

Die smarten Melkassistenten sind seit letztem Herbst im Einsatz. Ganz unspektakulär stehen sie im hinteren Bereich des Kuhstalls. Auf den ersten Blick wirken sie wie eine Waschanlage. Eine vergitterte Schleuse, daneben eine Trennwand, hinter der sich die Technik befindet. Die Tiere entscheiden selbst, wann sie bereit sind Milch abzugeben. Am Melkroboter wird die Kuh zunächst abgescannt, um zu wissen, wie oft sie schon gemolken wurde. Etwa alle sechs Stunden darf sie eintreten, damit genügend Ruhezeiten zwischen den Melkvorgängen liegen. Ist die Erlaubnis erteilt, öffnet sich das Gatter und eine Kraftfuttermischung am Ende des Gangs lockt das Tier in die richtige Position. Der Roboter säubert die Zitzen und bereitet sie für den vollautomatisierten Melkprozess vor. Die Milch wandert durch Schläuche Richtung Milchtank, der sich im Inneren des Roboters befindet. Dort wird die abgegebene Milchmenge erfasst. Weitere Informationen über jede einzelne Kuh, wie Aktivitätsdaten, Wiederkäu- und Fressverhalten, landen über die Sensoren eines digitalen Halsbands in einer Datenbank, die Torben Brockmann jederzeit einsehen kann. Da die Roboter nur 120 Kühe pro Tag schaffen, wird die andere Hälfte im alten Swing-over-Melkstand gemolken.

Zwei Welten vereint

Brockmanns Lebensgefährtin Rike Klindworth, 28, steht neben ihm am Melkroboter. Sie beobachtet den Vorgang, wie die Sensoren die Zitzen abscannen. Noch ist das alles Neuland für sie. Sie hat bis vor Kurzem geholfen, alle 250 Kühe auf klassische Weise im Melkstand zu melken. Die Kühe haben zwar keine Namen, aber jede für sich einen individuellen Charakter. Rike Klindworth teilt mit ihrem Partner die Liebe zum Vieh, da sie selber von einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Nähe kommt. Es war die gemeinsame Entscheidung des Paares, die Roboter anzuschaffen. „Wir sind dadurch viel flexibler“, sagt die studierte Agrarwissenschaftlerin. Es falle nicht unbedingt weniger Arbeit an, aber die Abläufe änderten sich – es wird technischer. Die digitalen Daten sind per Smartphone von jedem Ort abrufbar. Wenn es einer Kuh nicht gut geht, merken sie es dank dieser Daten schneller als früher. „Der Melkroboter ist eine enorme Entlastung für alle“, sagt Klindworth, das Pärchen komme jetzt entspannter zu jeder Hochzeit, weil die Suche nach Melkhilfe auf den letzten Drücker wegfällt.

Teamwork als Paar

Teamwork als Paar Jede freie Minute hilft ihm seine Partnerin auf dem Hof – wenn sie nicht gerade als Trainee für DMK arbeitet. Seit über einem Jahr ist Rike im Bereich Landwirtschaft, Schwerpunkt Rohmilch, tätig, es geht unter anderem um Antibiotika- Reduktion, die Förderung tierärztlicher Bestandsbetreuung, Einblicke in andere Unternehmensbereiche. „Zum Verständnis der Wertschöpfungskette bei der Milchproduktion ist das sehr wichtig für mich“, sagt sie.

 

Verständnis für Transformation

Verständnis für Transformation Torben Brockmann profitiert davon, dass Rike so tiefe Einblicke in die Genossenschaft bekommt. Als Unternehmer sei er in erster Linie seinem Hof verpflichtet, was ihm manchmal den Blick auf die Gesamtsituation von DMK versperre. „Da haut man schnell Kritik raus.“ Durch das Krisenmanagement von DMK während der Coronapandemie und den Umgang mit der Energiekrise sei ihm bewusst geworden, wie stark und geschlossen eine Genossenschaft in schwierigen Zeiten auftreten kann. Das habe ihn überzeugt. „Wie eine Familie hält man da zusammen“, sagt er. Er habe den Transformationsbestrebungen des Unternehmens skeptisch gegenübergestanden. Aber wie DMK muss sich auch sein Unternehmen dem Wandel anpassen, moderne Arbeitsformen, Work-Life-Balance, Digitalisierung Alte Zeiten – der alte Melkstand hat bald ausgedient. Dann entsteht hier eine Selektionsfläche. gehören auch zu einem effizienten Hofmanagement.

Work-Life-Balance für alle

Seinen fünf Mitarbeitern bietet Brockmann Arbeitsmodelle vom Minijob bis zur Festanstellung an. Eine gehörlose Mitarbeiterin darf sich ihre Einsatzzeiten für Hofarbeiten selbst einteilen, eine Mutter aus dem Ort kommt morgens für ein paar Stunden zum Melken. Um acht Uhr müssen ihre Kinder in die Kita, bis dahin ist sie längst wieder zu Hause.

Kraft durch neue Blickwinkel

Flexibel und selbstbestimmt zu sein ist ein Luxus, den sich der 29- Jährige auch ein Stück weit mit seiner Freundin gönnt. Dank eines klugen Organisationsmanagements und einer Planung weit im Voraus, war es den beiden möglich, drei Wochen in Südafrika zu verbringen. Brockmann war selbst erstaunt darüber, dass er sich in dieser Zeit nicht von Nachrichten über die Landwirtschaft hat ablenken lassen. „Wir haben Herden von Zebras gesehen, ein Meer aus Streifen, aber auch Antilopen, Nashörner“, schwärmt er. „Das hat mich fasziniert und mir ganz viel Kraft gegeben.“

Family first

Durch die Transformation zum smarten Hof kann er besser abschalten und auch mal loslassen. „Die ältere Generation kennt das so nicht“, sagt er. Das Arbeitsethos sei damals kein anderer gewesen, aber die Möglichkeiten eines smarten Hofmanagements waren in seinen Augen begrenzter. Dass der Landwirt auch an sich und seine Familie denken muss, obwohl das Business oft auf kabbeliger See navigiert, ist für Brockmann und seine Freundin selbstverständlich geworden. Abschalten und Loslassen machen ihn widerstandfähiger für schwierige Zeiten – und kreativer, wenn es darum geht, seinen Hof zu einem Anziehungspunkt zu machen für Jung und Alt.

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