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03.12.2021

Das Klima bei den Landwirten

Auf der politischen Agenda stehen Klimaziele ganz oben. Für Landwirte bedeutet das weitere Auflagen, aber auch mehr Förderung. Wie gehen sie damit um?
„Mutige Schritte sind notwendig.“

Patrick Witte

Milchbauer Patrick Witte betreibt seinen Hof in NRW mit 120 Kühen. Der Landwirt geht davon aus, dass sich der Betrieb in Zukunft neuen Geschäftsfeldern öffnen muss. Unsere letzte große Anschaffung war ein Fütterungsroboter. Das war wichtig, weil der Futtermischwagen umgetauscht werden musste und wir einfach die Arbeitsabläufe optimieren wollten. Der smarte Assistent sorgt nun dafür, dass die Tiere viele kleine Futtermischungen am Tag bekommen und das sorgt für mehr Ruhe im Stall. Außerdem haben wir so mehr Flexibilität im Alltag, weil die Vorratsbunker von uns ganz nach Wetterlage ein­ bis zweimal am Tag befüllt werden. Wir bewirtschaften den Hof als ganze Familie und blicken, um ehrlich zu sein, mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Wir würden uns wünschen, dass die Auflagen in Deutschland von Politik, Handel und Verarbeitern vernünftig honoriert werden – und auch für alle gelten, die ihre Ware nach Deutschland exportieren wollen. Zugleich steht unser Betrieb einer enormen wirtschaftlichen Herausforderung gegenüber, da das Milchgeld im Vergleich zu den hohen Ausgaben für Milchleistungs­ und Ausgleichfutter nicht ausreicht. Wir sehen uns aber als starke Familie, die diesen schönen Hof auch an die nächsten Generationen weitergeben möchte. Die Landwirtschaft muss sich neuen Geschäftsfeldern öffnen, und dafür werden mutige Schritte notwendig sein.“

 

"Große Sprünge sind nicht drin."

Henning Lefert

Landwirt Henning Lefert versorgt auf seinem Hof in NRW 120 Kühe. Hohe Pachtpreise und die Auflagen – der Milchbauer blickt sorgenvoll auf die Kostenentwicklung in der Landwirtschaft.

Eine wichtige Investition sind unsere beiden Melkroboter. Wir können den Tag nun viel freier gestalten und sind nicht mehr auf feste Melkzeiten angewiesen. Das gibt uns als Familie mehr Lebensqualität. Zeitgleich mit der Anschaffung der Roboter haben wir auch den Hof pflastern lassen. Jetzt sieht das alles sehr schick aus. Ob ich die Kosten dafür heute noch einmal auf mich nehmen würde, kann ich nicht sagen. Größere Sprünge sind momentan bei uns nicht drin. Ich bete jeden Tag, dass nicht irgendeine Maschine kaputtgehtoder eine große Rechnung ins Haus flattert. Die Pachtpreise erschweren das Wirtschaften. Hätte ich damals alles verpachtet und wäre arbeiten gegangen, hätte ich heute mehr Geld in der Tasche. Die Auflagen für den Hof sehe ich sportlich – das ist insgesamt eine Herausforderung, der man sich stellen muss. Lasse ich alles zu lange schleifen, muss ich nacharbeiten. Ich überlege mir gerne Konzepte, während ich den Stall sauber mache.“

 

„Wir wollen definitiv Landwirte bleiben.“

Luuk und Stijn Fox

Die Brüder Luuk und Stijn Fox im niederländischen Lattrop stellen zukünftig die fünfte Generation Milchbauern auf dem Familienhof. Der 19-Jährige und der 17-Jährige blicken trotz vieler Herausforderungen optimistisch in die Zukunft des Betriebes. „Den Tierarzt wollen wir hier möglichst selten sehen – die Gesundheit unserer 105 Holsteiner Kühe ist uns sehr wichtig. Deswegen haben wir hinter dem Stall eine Weide, auf der sich Kühe frei bewegen können, die erstmals gekalbt haben. Die Tiere gewöhnen sich so an die Frischluft. Die Kühe bekommen Futter, das frei von Gentechnik ist. Außerdem verwenden wir in den Liegeboxen eine neue Einstreu, um die Klauengesundheit zu verbessern. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Stroh, Kalk und Wasser. Mit einer Solaranlage auf dem Dach setzen wir auf Nachhaltigkeit unseres Betriebes. Eigentlich ist es für uns beide ganz klar, dass wir den Hof übernehmen wollen. Aber es gibt noch eine Ungewissheit: Der Grund ist das benachbarte Natura­2000-Gebiet der EU, das Schutz gefährdeter Pflanzen­ und Tierarten bietet. Dieses Naturschutzgebiet soll vergrößert werden und würde uns damit die Möglichkeit nehmen, unseren Hof zu erweitern. Das könnte weitere Investitionen wie einen emissionsarmen Boden erschweren, weil sich die Bank dann querstellt: aus ihrer Sicht hätte der Hof an Wert verloren. Nächstes Jahr wissen wir aber mehr. Wir wollen definitiv Landwirte bleiben. Deswegen haben wir mit einem Studium an der Aeres­Fachhochschule in Dronten begonnen. Nach dem Abschluss sehen wir dann weiter.“

 

„Sorgfalt zahlt sich aus.“

Hein Verhoef

Nach einem besonderen System messen die Niederländer das Tierwohl von Kühen. DerMilchviehbetrieb von Hein Verhoef in der Provinz Gelderland erzielt Top-Ergebnisse in der Jungtierzucht. „Unser Hof ist zweigeteilt: An einem Standort leben unsere Kühe – auf dem anderen werden die Kälber ab dem sechsten Lebensmonat großgezogen. Nach der Geburt werden die Kleinen zunächst in Iglus im Freien untergebracht und stehen somit nicht im Jungviehstall. Auch wenn das nicht praktisch erscheint, so gibt es einen großen Vorteil: Das Risiko von Krankheitsübertragungen sinkt, wenn die Altersgruppen getrennt werden. Nach verschiedenen Stationen erfolgt der Wechsel zum neuen Standort nach einem halben Jahr. So gewöhnen sich die Jungtiere aneinander, erhalten dasselbe Futter. Das fördert eine gleiche Wachstumsgeschwindigkeit und die Größenverhältnisse variieren nicht so stark. Nach zwei Jahren kehren die Kühe wieder zurück. Auch der frühzeitige und dosierte Einsatz von Biestmilch, die extrem nährstoffreiche Milch der Muttertiere, trägt zum Tierwohl bei. Im Tankraum haben wir ein Whiteboard installiert, das uns unter anderem über die Fütterzeiten und­mengen der Kälber informiert. Die Sorgfalt zahlt sich aus – für meinen Betrieb auf jeden Fall: die Kälber weisen ein überdurchschnittliches Wachstum auf und die Ausfallquote ist gering. Und im Kuhkompass erhalten wir 4,5 von 5 möglichen Punkten, wenn es um die Bewertung der Jungtierzucht geht. Dazu gehören Ernährung, Unterbringung, Tierwohl und Kälber. Alles muss sauber sein und die Gesundheit der Tiere ist das Wichtigste.“

„Wir kämpfen um unsere Zukunft“

Hermann Birkenhake

Seit über 500 Jahren ist der Hof von Hermann Birkenhake in NRW im Familienbesitz. 230 Kühe gehören zum Betrieb. Der Milchbauer ist frustriert über die Auflagen für die Landwirtschaft. „Das Tierwohl unserer Kühe liegt uns sehr am Herzen. Wir haben die Tierställe in den letzten Jahren massiv ausgebaut, unter anderem mit Strohtiefboxen, Ventilatoren und Außenlaufhof. Auch ein neuer Kälberstall und eine Fahrsiloanlage wurden errichtet. Man kann einer Kuh nur Leistung abverlangen, wenn sie optimale Verhältnisse vorfindet. Uns überfordern die ständigen neuen Auflagen aus Politik, Handel und Gesellschaft. Dieses können wir Milchviehalter wirtschaftlich nicht mehr leisten. Ein unzureichendes Milchgeld der letzten Jahre, macht die Situation sehr schwierig. Im Moment bekommt der Rohstofflieferant am wenigsten in der Wertschöpfungskette. Wenn wir nicht höhere Milchpreise verankern, wird das Höfesterben noch schneller stattfinden. Jeder Cent ist für den Erhalt des Familienbetriebs gedacht. Wir kämpfen für unsere Zukunft.“

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