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14.04.2022

Tausendsassa DMK Landwirtin

Um ihre Höfe zu bewirtschaften, erledigen Landwirte viele Jobs auf einmal. Leonie Wiewer weiß, was das bedeutet: Die 24-jährige DMKLandwirtin verantwortet bald den Hof ihres Vaters.

Es überkommt sie einfach. Immer wenn Leonie Wiewer vor den Ställen steht, mitten in der Bauernschaft Altendorf, kommen die Gedanken: Wie kann ich den Hof weiterentwickeln? Wie kann ich das am besten umsetzen? Mit 16 war sie bereits preisgekrönte Jungzüchterin, mit 20 gelernte Landwirtin, mit 24 angehende Agrarbetriebswirtin und seit sie denken kann, rechte Hand ihrer Eltern auf dem Hof in Nordrhein- Westfalen – auch nach Feierabend hat sie Freude daran, den Hof in ein neues Jahrzehnt zu denken. Landwirte wie Leonie Wiewer stehen heute nicht mehr nur vor der Aufgabe, gute Landwirte zu sein. Sie müssen auch Strategen sein, die ihre Rohstoffe auf schwankenden Absatzmärkten unterbringen, Architekten ihrer Höfe, die sie im Rahmen der Auflagen umbauen, gute Kommunikatoren, die den Verbrauchern die Wirklichkeit nahebringen.

Weitblick gefragt

„Unser Beruf besteht nicht nur daraus, Gülle zu fahren“, sagt Wiewer. Die schwierige Lage der Bauern erfordere viel Umdenken und Kreativität. Landwirte müssen Situationen voraussehen, mit Instinkten arbeiten, ein Gespür entwickeln, das sich nicht aus Büchern erlernen lässt. „Wir brauchen das gewisse Auge.“ In ein paar Jahren wird sie den Hof ihres Vaters übernehmen. Der Hof ist ihre Heimat und seit vielen Generationen in Familienhand. „Jede Kuh hat ihren eigenen Namen“, sagt die Junglandwirtin, „Ich kenne ihre Blutlinien besser als meine eigenen und es macht mich stolz, die Nachfahren der Kuhfamilie, die einst meinen Opa begeistert und berührt hat, heute selbst begleiten zu dürfen.“ Sie könne sich nichts anderes vorstellen. Doch wie jeder Landwirt, braucht auch sie eine Möglichkeit, ihren Hof an die Anforderungen anzupassen.

Von ihrem Vater wird die Junglandwirtin einmal den Hof übernehmen.

Die innere Haltung

Finanzielle Ressourcen sind dafür nötig, aber auch mehr Offentheit in der Gesellschaft. Aussagen wie „Tierwohl und Tiere ausbeuten schließen sich aus!“ oder „Tiere lieben und sie am Ende schlachten, geht gar nicht!“ treffen jemanden wie Leonie, die Tiere so liebt, ins Mark, und führten dazu, dass auch sie sich in der Verantwortung fühlte, das „System“ Landwirtschaft zu hinterfragen. „Am Ende jedoch steht für mich eines fest: Ich bin gelernte Landwirtin, habe das Hintergrundwissen und die Erfahrungen. Das Wohl der Tiere steht für mich an erster Stelle – alles andere wäre suspekt“, sagt sie, „Ich kann mit Gewissheit behaupten, ihnen ein gutes Leben zu bieten.“ Landwirtschaft in Deutschland spiele in ihren Augen auf einem so hohen Level, dass es fatal wäre, sie aufzugeben. Vielmehr gehe es darum, miteinander zu kooperieren. „Wir können uns glücklich schätzen, wenn auch zukünftig die Möglichkeit besteht, Lebensmittel zu beziehen, die unter den unfassbar hohen deutschen Standards produziert werden.“

Neues ausprobieren

Sich weiterbilden, nicht stehenbleiben, das Geschäft optimieren, das versucht Leonie Wiewer bereits. Ihr größter Stolz ist ihre Verkaufshütte, in der sie Rohmilch, Käse, Eier oder Nudeln vom Hof anbietet. „Die Umsetzung kostete Zeit, Geduld und eine Menge Arbeit, aber es hat sich gelohnt.“ Die Leute kämen dafür auf den Hof, was wieder neue Anknüpfungspunkte schaffe. Neben der Direktvermarktung in ihrer Verkaufshütte kümmert sich die 24-Jährige um die anfallenden Besamungen sowie die Vermarktung der Zuchttiere. Schon im Alter von 6 Jahren führte sie auf Jungzüchterwettbewerben vor, wofür sie lange mit den Tieren trainierte. Soviel ist klar: Ein Bürojob wäre nicht das Richtige für Leonie Wiewer.

Liebe zum Job, Liebe zum Kalb: Leonie Wiewer ist auch für die Besamung der Kühe zuständig.

Mehr Verantwortung

Irgendwann wird sie den Hof einmal übernehmen, verantwortlich sein für 130 Kühe, 250 Jungtiere, 120 ha Land und ein buntes Team an Helfern. Auch wenn sie schon vieles selbstständig entscheidet, weiß sie, dass das ein Unterschied sein wird: „Es ist etwas anderes, wenn man alles wirtschaftlich kalkulieren, durchführen und verantworten muss“. Manchmal reiche schon ein Dürrejahr und die Rücklagen seien vor dem Hintergrund der hohen Futterkosten dahin.

Viele Jobs auf einmal

Manchmal denkt sie daran, wie viele Jobs sie als Landwirtin unter einen Hut kriegen muss: Hebamme, Kindergärtnerin, Friseurin, Vermarkterin, Mechanikerin, Chemikerin, Unternehmerin: … die Liste ließe sich fortsetzen. „Alles in allem eine ziemlich verantwortungsvolle Aufgabe.“ Um dieser in einer schnelllebigen Welt gerecht zu werden, fordere es einiges an Durchhaltevermögen. Ein nachdenklicher Moment, der die Junglandwirtin zurückholt aus ihren Visionen und Träumen, aber sie bleibt zuversichtlich. Mit etwas Risiko leben Bauern schließlich schon seit Jahrhunderten. Und genau das mache den Beruf zu dem, was er ist: „Abwechslung pur, neue Herausforderungen, die Möglichkeit Träume zu verwirklichen und ständig über sich hinauswachsen – unglaublich spannend!“ Wie man das zukünftig alles meistert – das, sagt sie, werde sich schon zeigen.

Seit Generationen ist der Betrieb in Altendorf bei Münster schon in Familienhand

Was Landwirte noch so alles sein müssen

Ingenieure:

„Täglich gibt es etwas zu reparieren. Ganz egal, ob eine Stalltür klemmt, der Weidezaun defekt ist oder ein Fenster klappert – in diesen Momenten sind Kreativität und Flexibilität gefragt. Auch wenn es mit Panzerband, Kabelbinder oder ein paar Nägeln vorerst provisorisch ist.“

 

Hebammen:

„Auch die Geburtsvorbereitung, -begleitung und -versorgung sind Tagesprogramm. Ich beobachte die Kuh während der Geburt, damit ich notfalls eingreifen und sie unterstützen kann. Anschließend versorge ich sie mit Traubenzucker und warmem Wasser. So kann sie wieder zu Kräften kommen.“

 

Ernährungsberater:

„Wir lassen jedes von uns selbst erzeugte Futtermittel, wie Gras oder Mais, im Labor auf dessen Inhaltsstoffe untersuchen. So kennen wir dessen genauen Energie-, Protein-, Stärke- und Fettgehalt und können unsere Tiere bedarfsgerecht füttern.“

 

Tierärzte:

„Da die Tiere mir nicht sagen, wo es ihnen schmerzt, liegt es an mir, zu erkennen, wenn es ihnen schlecht geht, zu entscheiden, was ihnen fehlt und wie ich am besten helfe. Über die Jahre und dadurch Erfahrungen bekommt man aber ein sehr gutes Gespür dafür.“

 

Influencer:

„Mit meiner Kamera versuche ich regelmäßig, Bilder und Videos aufzunehmen, die ich dann auf unseren Facebook- und Instagramseiten poste. Dabei geht es zum Beispiel um Ernte, Geburten oder andere Themen. Damit möchte ich dazu beitragen, die zum Teil versäumte Aufklärungsarbeit in unserer Branche auszugleichen und dem interessierten Verbraucher einen Blick in die heutige Landwirtschaft geben. Kein unbedeutender Zeitfresser, aber es lohnt sich.“

 

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