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01.09.2018

Die Dürre und Ihre Folgen

Was DMK-Milcherzeuger kurzfristig erwarten - Was Wissenschaftler langfristig prognostizieren

Teile Nord- und Zentraleuropas waren von April bis August von einer außergewöhnlichen Hitze und Trockenheit geplagt – Deutschland, Polen, Großbritannien, Skandinavien, Baltikum. In den betroffenen Regionen fielen bis zu 70 Prozent zu wenig Niederschlag, meldet der Deutsche Wetterdienst (DWD).

Stress für Tiere und Äcker

Der heiße Sommer 2018 machte dem Milchvieh arg zu schaffen, denn die optimale Umgebungstemperatur für Rinder liegt zwischen 5 und 15 Grad Celsius. Steigt die Temperatur über 25 Grad, fühlen sich die Tiere unwohl. Hinzu kommt ein erhöhter Energieverbrauch, um die eigene Körpertemperatur aufrechtzuerhalten.

Resultat: Die Tiere produzieren weniger Milch. Durch die ungewöhnlich lange Hitze- und Trockenperiode ist auch die Verfügbarkeit von Mais- und Grassilage empfindlich gestört. Die zweiten und dritten Grünlandschnitte von eigentlich vier bis fünf Schnitten pro Jahr fielen schon mager aus oder fielen total aus. Der Mais setzte vielerorts keine Kolben an, so dass die Ernte in manchen Regionen bereits Mitte August beginnen musste. 

Foto © Polizei Thüringen

Weitere Ernteausfälle erwartet

Angesichts dieser alarmierenden Vorzeichen hat DMK im August eine Umfrage im Ehrenamt gemacht (Vertreter, Beiräte, Vorstände und Aufsichtsräte), um sich einen Überblick über mögliche Ernteausfälle und Konsequenzen für die Milchanlieferung zu verschaffen. Rund 90 Prozent der befragten DMK-Landwirte erwarten Ertragseinbußen bei der Ernte von Gras und Mais (siehe Folgeseite). Diese Einschätzungen bestätigt der jüngste Erntebericht 2018 der Bundesregierung. Demnach sinken die Ernteerträge bei Getreide am stärksten – gemessen am Durchschnitt der vergangenen drei Jahre – in Schleswig-Holstein (-31 Prozent), Brandenburg (-27 Prozent), Sachsen-Anhalt (-26 Prozent), Mecklenburg- Vorpommern (-25 Prozent) und Niedersachsen (-20 Prozent).

Wie die Futterlücke schließen?

Landwirte haben verschiedene Möglichkeiten, auf Futterknappheit zu reagieren. Sie können Futter zukaufen, Grundfutter durch Stroh ergänzen, Nebenprodukte wie Rübenpressschnitzel oder Kartoffelpülpe einkaufen oder den Tierbestand reduzieren. Rund 50 Prozent der von DMK befragten Mitglieder rechnen damit, die Futterlücke nicht durch eigene Vorräte schließen zu können und Maßnahmen ergreifen zu müssen.

Bestand reduzieren?

Die schwierigste unternehmerische Entscheidung für Milcherzeuger ist die Reduzierung des eigenen Tierbestandes. Dr. Klaus Hein, Geschäftsführer der Deutsches Milchkontor eG: „Wir gehen davon aus, dass unsere Landwirte alles daran setzen, die Futterlücke zu schließen. Die Reduzierung des Bestandes laktierender Kühe ist hier die letzte Lösung und stößt sicherlich auch an Grenzen. Zudem steigen die Futterkosten.“ Tatsächlich zeigen die Statistiken einen Anstieg der Schlachtzahlen für Kühe im Juli gegenüber dem Vorjahr. Dabei handelt es sich weitgehend um Kühe, die zur Weitermast vorgesehen sind oder um spätlaktierende und nicht trächtige Kühe. Auch werden überzählige Färsen zum Weitermelken in andere Bestände oder ins Ausland verkauft.

Sinkt die Milchmenge?

Für die Molkerei DMK Group bedeuten all diese Faktoren, dass sich die Rohstoffmenge für Magermilchpulver, Butter, Käse, Trinkmilch und Co. etwas verringert. Neben der Befragung wurde den Milcherzeugern auch die Möglichkeit zur konkreten Nachplanung der letzten vier Monate im Jahr 2018 via webmelker.de gegeben. Hiervon machten 1.100 Landwirte Gebrauch. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Landwirte den im September eigentlich normalen Rückgang der Milchmenge nicht sehen. Dies zeigen auch aktuelle Anlieferungszahlen, die die Folgen durch Dürreschäden derzeit nicht widerspiegeln. Bei allem Frust über Ernte und Wetter ist auch klar: Für Milcherzeuger hängt nicht alles an einer Ernte. Für sie ist der monatliche Milchpreis wichtig. In den Verhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) verfolgt DMK das klare Ziel, die Situation an der Erzeugerfront im Milchpreis entsprechend gespiegelt zu sehen. DMK-Geschäftsführer Dr. Klaus Hein: „Wir sind uns der angespannten Lage auf den Höfen bewusst und setzen daher alles daran, Erlösverbesserungen am Markt auch direkt unseren Mitgliedern zukommen zu lassen.“ 

Wetter extrem

Viel Sonne, kaum Regen – der Zeitraum April bis August 2018 war der wärmste und sonnenscheinreichste sowie auch einer der niederschlagsärmsten seit Beginn regelmäßiger Messungen anno 1881. Der Deutsche Wetterdienst meldete weiter: Es war vor allem trocken. Mit rund 130 Litern pro Quadratmeter (l/m²) fielen nur 54 Prozent des Regen-Solls von 239 l/m². „Alles vertrocknet und braun, was eigentlich grün sein sollte“, meldete Astronaut Alexander Gerst aus der Raumstation ISS. Nur 1911 war der Sommer noch trockener (124 l/m²). Hauptleidtragende: Land- und Forstwirtschaft. Wiesen und Felder verdorrten, Ernte in Milliardenhöhe ging verloren, Flüsse trockneten aus, es kam zu verheerenden Waldbränden. Sie zerstörten bei Siegburg Gebäude und bei Potsdam über 200 Hektar Wald. Werden die Sommer jetzt immer so? Wissenschaftler sehen dafür Gründe, und zwar über dem Nordpol. Dort würden Luftströme wärmer und langsamer und sorgten so für länger andauernde extreme Wetterlagen über Europa. „Hoch- und Tiefdruckgebiete bleiben dadurch oft länger an einer Stelle, das Wetter ist weniger wechselhaft“, erklärt Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst. Das sei ein Trend seit Jahren.

Mehr Ernte pro Hektar

Wie extrem verändert sich das Klima? Was bedeutet das für die Agrarwirtschaft?

Sicher ist nur: Die Herausforderungen für die Landwirte in den nächsten Jahrzehnten sind riesig: 2050 müssen zehn Milliarden Menschen auf der Erde ernährt werden. „Daher muss die Landwirtschaft produktiver werden und mehr Ernte aus jedem Tropfen und Hektar herausholen“, analysiert die Weltbank, aber „ohne die Kosten für die Umwelt zu erhöhen, welche derzeit mit Intensiv-Landwirtschaft verbunden sind“. Die Produktivität erhöhen und klimaneutral die Umwelt schonen – dafür werden biologische und technologische Innovationen nötig sein. Eine Weltbank-Hochrechnung zeigt:Werden die Äcker weltweit bis 2050 weiter so bewirtschaftet wie heute, wird die landwirtschaftliche Produktivität durch den Klimawandel in den meisten Ländern sinken. 

Interview mit Professor Jürgen Hummel

Was können  Milcherzeuger  kurzfristig bei  Hitze für ihr  Milchvieh tun? 

Prof. Jürgen  Hummel: Kurzfristig  lässt sich  über ausreichende  Luftbewegung  im Stall einiges  bewirken. Im Extremfall  kann man  auch an Wasserverneblungsanlagen  denken.  Auch die Wahl  des Untergrunds  beeinflusst die  Wärmeabfuhr.  Bereits beim Bau  eines Stalls gibt es  einige Punkte zu  beachten wie die  vorherrschende  Windrichtung. 

 

„Als Gesellschaft müssen wir den Klimawandel sehr ernst nehmen!"

Professor Jürgen Hummel

Was können  Landwirte  mittelfristig auf  dem Acker oder  bei der Aufzucht  tun? 

Beim Futterbau  lässt sich vieles  optimieren. Der  eine oder andere  Landwirt wird  als Konsequenz  des letzten Sommers  sicher über  den Einsatz von  Beregnung  nachdenken.  Wenn  man noch einen  Schritt weiter  gehen will, wäre  ein verstärkter  Einsatz von gegen  Trockenheit resistenten  Leguminosen  sinnvoll.  Auch für die Tiere  gilt, dass man in  Zukunft mehr auf  temperaturtolerante  Tiere züchten  wird. 

Ihr Fazit des  Sommers 2018  als Wissenschaftler? 

Als Gesellschaft  müssen wir den  Klimawandel sehr  ernst nehmen  und mit den uns  möglichen Mitteln  gegensteuern.  Eine Hoffnung  ist, dass  ein Sommer wie  2018 zumindest  dazu gut war, der  Gesellschaft vor  Augen zu führen,  dass die Versorgung  mit Lebensmitteln  keine  völlige Selbstverständlichkeit  ist.

 

Reaktionen

Hilfe
Julia Klöckner

Die Landwirtschaftsministerin, über die 340-Millionen-Euro- Nothilfe: „Bei der Hilfe geht es ja auch um die Interessen der ganzen Bevölkerung. Darum, dass sich ganze Landstriche nicht verändern, dass es weiter regionale Produkte gibt.“

Solidarität
Gitta Connemann

Stv. Vorsitzende der CDU/CSUBundestagsfraktion: „Die Familien auf den Höfen verdienen unsere Solidarität und Hilfe. Der Klimawandel hinterlässt auf den Höfen und Feldern seinen sichtbarsten Fußabdruck.“

Alternative
Rainer Spiering

Agrarpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag: „Eine Alternative wäre ein Fonds, in den die Landwirte einen Teil der EU-Agrarsubventionen freiwillig einzahlen. In Krisenfällen würden diese Landwirte dann auch eine Ausschüttung erhalten.“

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